Wiener Zeitung | Matthias Ziegler
Vorschriftsmäßig lustig
DieKleinkunst.com
Letzten Montag bestritten F.R.O.H. ihre Premiere des neuen Programms in der Kulisse. Damit haben Rainer Obkircher und Sabine Kunz es mit ihrem dritten abendfüllenden Programm geschafft in den Wiener Kabarett-Himmel aufgenommen zu werden, denn bis dato waren ihnen Uraufführungen auf Wiener Großbühnen verwehrt geblieben. Erfahren Sie hier, ob „Kabarett nach Vorschrift“ wirklich ein himmlisches Vergnügen war. DieKleinkunst-Redakteur Markus Freiler meint, „Ja und Nein“…
Ob nun die Österreichische Kabarett-Zertifizierungsbehörde ÖHaHa die Lizenz zum Auftritt in der Kulisse erteilt hat, sei dahingestellt. Irgendwie hätte ich mir erhofft, dass F.R.O.H. sich in ihrem neuen Programm tatsächlich in humorvoller Weise mit der österreichischen Kabarett-Landschaft auseinandersetzen würden. Immerhin ist ja in der Programmankündigung zu lesen, dass sie gegen die „verschwörerischen Machenschaften der Kabarett-Mafia“ anzukämpfen hätten.
Der erste Teil von „Kabarett nach Vorschrift“ ist aber dann eher ein Best-of aus deren Soloprogrammen, d.h. sie stehen größten Teils auch allein auf der Bühne. Bekanntlich gehen ja Rainer Obkircher als Rainer von Lienz und Sabine Kunz mit „Hypochonder unter sich“ seit einiger Zeit auch „fremd“, sie „betrügen“ sozusagen F.R.O.H.. Der lockere Kitt zwischen diesen Solo-Ausschnitten bildet eben die ÖHaHa, welche, bei kabarettistisch inkorrekten Äußerungen der beiden, mittels Quietschentengeräuschen und Schafsgeblöke einschreitet und zum Bühnenabtritt zwingt. Zu diesen Inkorrektheiten reicht bereits Rainer von Lienz’ Äußerung, dass er Tiroler sei.
Die Hypochonderin Sabine Kunz unterscheidet bezüglich der HypochonderInnen zwischen Naturtalenten und Ausgebildeten. Sie ist beides, denn einerseits gebar sie bereits im engen Geburtskanal den Wunsch nach einem Osteopathen, andererseits war ihre Mama die beste Ausbildnerin, die man sich wünschen kann, z.B.: Nasse Haare auf der Straße führen zu Haarausfall, verschluckte Kaugummis zum Darmverschluss, Augen bleiben beim Schielen stecken.
Die männliche Figur des Hypochonders, kennen wir zwar schon von Klaus Eckel, aber Sabine Kunz’ hypochondrischen Phantasien sind auch nicht von schlechten Müttern. Man stelle sich die beiden gemeinsam auf einer Bühne vor, allein die Vorstellung macht mich kränklich. Sabine Kunz mag zwar vor Vielem Angst haben, vor Publikumskontakt sicher nicht, denn sie interagiert mit diesem und tauscht sich mit diesem immer wieder genussvoll über die Hypochondrie aus.
Musikalisch, mit dem Hypochonder-Blues, und pantomimisch, mit der Darstellung der Nebenwirkungen eines Grippemittels (zu Ennio Morricones „Spiel mir das Lied vom Tod“), weiß Sabine Kunz äußerst humorvoll als eingebildete Kranke zu überzeugen. Insgesamt darf man sagen, dass Sabine Kunz die Figur der Hypochonderin wie auf den Leib geschneidert ist.
Rainer Obkircher liebt es mit seiner Bühnenfigur mit dem Klischee homosexueller Modeschöpfer zu spielen. Der fesche Rainer von Lienz hat einen feschen Beruf, nämlich Fashion-Stylist & Make-Up Artist und Modell-Trainer. Das ist für ihn der Grund mit High-Heels durchs Dorf zu staksen In seiner Naivität meint er, der Pfarrer sei, aber nur deswegen dagegen, weil es schlecht fürs Kreuz sei. Er sei Ministrant geworden, damit er sich mit wallenden Gewändern kleiden kann.
Obkircher legt seine Figur zwar naiv an, die es in Wirklichkeit aber faustdick hinter den Ohren hat. Er schrammt haarscharf an der Blasphemie vorbei, wenn er Jesus am Kreuz die Nägel rot anmalt, weil Rainer von Lienz meint, er leide an seinen (Finger)nägeln so sehr. Mit diversen frivolen Zweideutigkeiten und Anspielungen betreibt Rainer von Lienz eine Grenzwanderung zur Geschmacklosigkeit. So erklärt er z.B., dass man zum Pudern einen großen (Pinsel) benötige.
Wer ein entspanntes Verhältnis zu Religion und Sexualität pflegt, der wird sich über die Meldungen des frechen Rainer von Lienz köstlich amüsieren. Der männliche Teil des Publikums muss sich auch auf diverse Anbandelungsversuche gefasst machen. Sofern man open-minded ist, wird man dies auch recht komisch finden. Da die ÖhaHa nicht so tolerant ist, wird Rainer von Lienz von der Bühne geholt, als er versucht einen Audiokommentar zu Pornos für Sehbehinderte abzuliefern.
Prinzipiell sind die beiden Figuren die Kunz und Obkircher für ihre Soloprogramme kreiert haben durchaus gelungen. Bloß durch dieses Auftritts-Pingpong zwischen den beiden, will der Funke nicht so recht zu mir überspringen. Kaum hat man sich mit der Gedankenwelt einer Figur angefreundet wird man wieder herausgerissen. Die ersten beiden Programme von F.R.O.H. bestachen durch das symbiotische Zusammenwirken von Kunz und Obkircher. Der Revueartige Charakter ihrer bisherigen Programme mag zwar für Comedy-Shows nicht tauglich sein, aber diese Mischung aus Gesang und Tanz, verpackt in einer turbulenten Geschichte, machte F.R.O.H. so wirklich einzigartig. Den Cocktail des ersten Teils des Programms kann man noch so lange schütteln oder rühren, er mischt sich leider nicht zu einem harmonischen Ganzen. Es hinterlässt in mir den Eindruck eines Nebeneinanders, in diesem Fall ist eins und eins leider weniger als zwei.
Der zweite Teil beginnt, im wahrtsten Sinn des Wortes mit einem Heulkonzert der beiden zu einer Trauermusik, da die ÖHaHa die Kabarettzertifizirung ihnen verweigerte. Mit mehreren Rückführungen versuchen die beiden herauzufinden, warum sie so sind wie sie sind. Dabei erleben wir sie u.a. als zankende Berge oder Hominide, als Stubenfliegen oder Grashalme. Gespickt sind diese sketchartigen Szenen mit humorvollen Dialogen und lockeren altbewährten Tanzeinlagen und Gesangesparodien. Was ich allerdings an diesem Abend vermisse, ist ein wirklich origineller Handlungsfaden, damit dieses Stück wie aus einem Guss wirkt. Das Ganze wirkt noch etwas unausgegoren.
Im zweiten Teil des Abends erleben wir nicht Sabine Kunz und Rainer Obkircher nebeneinander, sondern die beiden gemeinsam als F.R.O.H., was es auf den Punkt bringt: Im gemeinsamen Interagieren auf der Bühen sind sie einfach genial, und eins und eins ergeben mehr als zwei. Von DieKleinkunst bekommt das Flickwerk Kabarett nach Vorschrift leider nicht die Kabarettzertifizierung. ABER: Als abendfüllende Einzelfaufführungen sind die Hypochonderin von Sabine Kunz und Rainer von Lienz von mir für die Lizenzierung nominiert. Mit dem Ausbau des zweiten Teils von Kabarett nach Vorschrift zu einem abendfüllenden Programm bekämen sie auch ohne Gurken und Melonen in Hose bzw. Bluse von mir das 1A-Kabarett-Gütesiegel (außer es ist irgendwo Pferdefleisch versteckt).
DieKleinkunst-Redakteur Markus Freiler
DAS GROSSE DINGSBUMS
Bericht von Mag. Brigitte Puchegger / Kulturlandschaften.at
Das Kabarett-Duo F.R.O.H, das für Freie Radikale ohne H… steht, wobei das H… für alles mögliche wie Hirn, Hosen oder Hunger gesehen werden kann, besteht aus Sabine Kunz und Rainer Obkircher. Die beiden gelernten Schauspieler bringen intelligentes Kabarett durch szenische Darstellungen mit hohem Spaßfaktor gekonnt auf die Bühne.
Am Freitag, dem 16. September beehrten die beiden Künstler den Kulturkeller Ternitz und eröffneten mit ihrem Programm “Das große Dingsbums” die neue Kabarettsaison. Als DDr. Anna Lyse und DDr. Prof. Theo Retisch suchen die beiden nach dem Rezept für das ultimative Wissen, der ultimativen Weisheit und dem ultimativen Glück und finden es im großen Dingsbums. Die verschiedensten menschlichen Gefühle und unumgängliche Tatsachen personifizieren sich auf der Bühne und werden bis ins letzte Detail ausgeschlachtet.
So sucht sich die Midlife-Crisis einen geeigneten Befruchter, die Menopause fühlt sich unerkannt, dem Tod geht es gar nicht gut und die Liebe wird ständig mit Sex verwechselt. Die Eizelle und das Sperma rufen gesanglich im Stil des Songs “My heart will go on” zu mehr Geschlechtsverkehr auf. Auch die Politik kommt beim Großen Dingsbums nicht zu kurz: H.C. Strache, Werner Faymann, Dr. Heinz Fischer, Stefan Petzner, Maria Fekter wird jeweils ein Song gewidmet und hält deren typischen Verhaltensmustern einen Spiegel vor. Dass ein Auffahrunfall zwischen Mann und Frau nicht unbedingt in trivialem Umgangston geschlichtet werden muss, beweisen die beiden Kabarettisten mit ausgewähltem Sprachschatz. Eine “Schlampn” wird zu einer “Erotomanin fortgeschrittenen Grades”, ein “Kotzbrocken” zu einem “Gastro-Intestinalem Katalysator”, die “blade Sau” zu “Adipöser Paarhufer” und die “Brunzkachl” zur “Urinabsonderungs-Keramik”. Im Shopping-Kanal gibt es die Depression 3000 zu kaufen, die für Manager ein Super-Burn-Out mit anschließendem Herzversagen bietet oder für alle eine Mega-Winterdepression.
Letztendlich müssen beide Doktoren einsehen, dass kein Ende der Sinnlosigkeit in Sicht ist und löschen das Kurzzeitgedächtnis der Zuseher.
Fazit: Ein Kabarett, das mit viel Intelligenz, hohem Körpereinsatz und gesanglicher Glanzleistung das Publikum in Atem hält.
DAS GROSSE DINGSBUMS
Premieren-Kritik von Markus Freiler, kulturfokus.at
Am 16.6.2010 fand im Theater-Center-Forum die Premiere von F.R.O.H.’s zweitem Programm statt.
Der, von Wortfindungsstörungen geplagte, KulturFokus-Redakteur Markus Freiler hoffte, dort das große DINGSBUMS (GroDiBu) zu finden. Und – er hat es gefunden: Es ist SINNvoller sich einer mehr als
beglückenden Kabarett-Show mit Sabine Kunz & Rainer Obkircher hinzugeben, als faden Vorrundenspielen der Fußball-WM!
Das Pseudonym F.R.O.H. steht übrigens für „Freie Radikale ohne H…“, unter welchem sich Kunz & Obkircher seit 2007 diversen Kunst-, Kultur- und-Trash-Projekten widmen. In ihrem neuen Projekt suchen die beiden F.R.O.H.-Naturen nicht mehr, aber auch nicht weniger, als den Sinn des Lebens. Begibt man sich als Künstler auf solch einen Sichtungsflug (ein Gleichnis in Anlehnung an ihr erstes Programm), so kann dies entweder, aufgrund von Langeweile oder Oberflächlichkeit, mit einer veritablen Bruchlandung enden, oder es werden so epochale Werke geschaffen wie „The Life Of Brian“. Wie sich F.R.O.H. an dieses Thema heranwagt, ist bei Gott kein Langeweiler, sondern äußerst kreativ, originell und tiefsinnig! Fast möchte man schreien: „Halt, stopp, haushalten mit so vielen Ideen! Da geht sich doch leicht ein drittes Programm aus!“
Aufgebaut ist das Stück wie eine TV-Show. Mit sonorer Stimme werden zwei WissenschafterInnen, die Stars der Sendung, angekündigt: Die emotionale Dr. Anna Lyse, amerikanische Soziologin, und der nüchterne Prof. Theo Retisch, schweizerischer Quantenphysiker, erforschen als ungleiches Paar, was die Menschen näher an das GroDiBu – und somit zum ultimativen Glück – bringt. So nebenbei sei erwähnt, dass damit natürlich auch das Format der TV-Shows persifliert wird. Als Forschungsobjekte wurden Barbara & Helmut auserkoren. Das Monogramm BH, wie sich später herausstellen wird, ist kein Zufall.
Was die Armen da so an Experimenten über sich ergehen lassen müssen, geht auf keine Kuhhaut: Sie werden „entwisst“, sodass ihre Persönlichkeiten nur mehr am Smartphone abrufbar sind. Unglaublich, wie flach so ein Hirn sein kann – ich telefoniere, daher bin ich! Sie müssen in die Hormonsauna, um anschließend mit invertierten Geschlechterrollen zu Recht zu kommen. Welche paradoxen Situationen dadurch entstehen ist echt zum Zerkugeln, z.B bezüglich des Sexualver haltens. Pythonesk wird es, wenn Kunz & Obkircher, als Spermatozoid bzw. Eizelle verkleidet, zu den Klängen von Céline Dions „My Heart Will Go On“ einen barocken Befruchtungstanz hinlegen. Echt schräg!
In dieser Show kommen aber auch so manche „Experten“ in Form von personifizierten Allegorien zu Wort, um ihren Zugang zum GroDiBu darzulegen: Das hohe Allter, das nichts mit Jugendsünden zu tun haben will. „MC“ die Meisterin der Midlife Crises. Der depressive Tod, welcher auf Gartenzwerg umschulen will. Die Liebe, die mit exaltiertem Hut und französischem Akzent ein Brandrede für die echte Liebe, mit Schmetterlingen im Bauch, hält, welche nicht mit der „unechten“ Internet-Liebe zu vergleichen sei. Nicht gekünsteltes Geschreibsel, sondern „live“ erlebte Pheromone sollen das Herz zum Klopfen bringen! Im Zusammenhang mit den dargestellten Allegorien gehören hier einmal die äußert kreativen Kostümdesigns erwähnt. In einem finalen Versuch gelingt es den beiden Wissenschaftern tatsächlich, das Dingsbums in seiner Reinessenz zu gewinnen. Wie nun der Einzelne dieses GroDiBu erlebt, darüber werden wir im Unklaren in die Pause entlassen.
Nach der Pause nimmt die Show eine überraschende Wendung. Dem GroDiBu ist als Gegenpol ein Hurz entwichen, aus welchem die völlige Sinnlosigkeit entspringt. Anna Lyse und Theo Retisch entpuppen sich als Agenten gegnerischer Mächte. Sie verbünden sich aber, um das Hurz zu finden. Dargestellt wird diese Suche durch eine tolle Choreographie mit Taschenlampen-Gewitter zu reißerischer Krimi-Musik. Das ärgste Drama ist aber, dass „BH“ als Spione der Bundesheers aus dem Hurz die gefährliche Sinnlosigkeitswaffe KHG69 herstellen. Monogrammgleichheiten mit ehemaligen Finanz ministern sind natürlich rein zufällig.
Auf der Suche nach BH müssen die beiden WissenschafterInnen, u.a. als Men in Black verkleidet, feststellen, dass sich die Sinnlosigkeit bereits im Parlament ausgebreitet hat. Wirklich skurril wird es, als Politiker zu volkstümlichen Schlagern oder Kinderliedern ebenso nur Sinnloses absondern. Bleibt die Frage, wie weit diese Reden nun tatsächlich von der Realität entfernt sind. Das Fernsehen wird versinnlost: Im ATV-Teleshop wird für „Happy Depression“ geworben, im ORF gibt’s Zipfl im Bild. Die Tangente versinnlost zum Parkplatz, auf welcher zwei Verkehrsteilnehmer in Konfrontation geraten und dabei immer wieder zwischen Psycho-Soziochinesisch und Brachial-Fäkalsprache wechseln. Auch die Burg darf mit einer SinnlosTheaterproduktion nicht fehlen. Nach der sinnlosen Suche nach der Sinnlosigkeit („Emmentaler an Hot Dog! Ich find sie nicht!) entdecken Anna und Theo, aber dann doch noch den Sinn des Lebens: Nämlich die Liebe füreinander – welch rührend kitschiges Ende!
Beeindruckend an dieser 2-Personen-Kabarett-Revue, ist, mit welch (tänzerischer) Leichtigkeit, und doch Tiefsinnigkeit, sich Kunz & Obkircher hier auf Sinnsuche begeben. Ich wiederhole mich, wenn ich hier erwähne, wie hervorragend sich die beiden auf der Bühne ergänzen, aber es gehört nun einmal gesagt. Lob gehört aber auch Regisseur Christian Pfeiffer gezollt, mit welcher Originalität er die Gesang-/Tanzeinlagen der Beiden (als perso nifizierte Allegorien ) zu lateinamerikanischen Standards in Szene gesetzt hat. Besonders angetan hat mir in diesem Zusammenhang die Idee, das Sterben als Tango zwischen Leben und Tod choreographisch umzusetzen.
Ich hatte Kunz & Obkircher, aufgrund ihres formidablen ersten Programms „Coconut Airlines“, einen ungeahnten Höhenflug gewünscht. Ich dachte, umso schwieriger würde es wohl sein dieses hohe Unterhaltungsniveau zu halten, aber mit diesem revueartigen Zweitlingswerk haben sie auf meiner kritischen Landebahn einen sicheren Erfolg gelandet!
Markus Freiler
P.S.: Es sei an dieser Stelle erwähnt, dass das Theater-Center-Forum als Veranstaltungsort auf jeden Fall zu den sympathischeren Locations in Wien zählt. Der große Saal im Retrolook ist der passende Rahmen für F.R.O.H.’s „Revue“
COCONUT AIRLINE – Die Flugkatastrophe
Kritik von Markus Freiler, Kleinkunst-Online
Klein&Kunst Passagier Markus Freiler traute sich am 13. Mai, trotz Unglückszahl, an Board der Coconut Airlines (Theater Center Forum) und erlebte, nach turbulentem
Flug, KEINE Bruchlandung des neuen Projekts von F.R.O.H.. F.R.O.H. sind in personem Sabine Kunz und Rainer Obkircher, und ich bin froh ihren himmlischen Flug und Höllenritt überlebt zu
haben.
Die Flugbegleiterin Marlene „Fluggäste scheißen, wann ich es will“ würde mir ja, ob ihres suffragettenhaften Auftretens, Sicherheit geben, wäre da nicht ihre Flugangst, die sie mit ihrem Freund
„Johnny“ bekämpft. Auch der hyperaktive Flugbegleiter Stuart, mit französischem Akzent, der aufgrund von Einsparungsamaßnahmen auch als Pilot einspringt, trägt nicht zu meinem Wohlbefinden bei.
Der Reihe nach spielen sich, in dualistischer Weise, folgende Passagiere als „Archetypen“ der modernen Gesellschaft in den Vordergrund: Die aurareinigende Esoterikerin gegen den
Nummern-schiebenden Controller. Das sich zu Tode nervende Ehepaar Hans und Martha Pfahl „Bitte ein Glas LEITUNGSwasser“, die rechts-konservative Lehrerin gegen den links-progressiven
Kleinkindpädagogen (mit Handpuppe), der das „Schneewittchen“ politisch korrekt in ein MODHAHA (Mädchen Ohne Definierte HAut- und HAarfarbe) transformiert. Der hypochondrische Pensionist gegen die
gestresste 4fach-Mutti „Ich schreie nicht! Ich spreche mit meinen Kindern. Sie mögen wohl keine Kinder, nicht wahr?“. Allein der Aufreißer „Hallo Puppen … isses so heiß hier oder bin ich das?“
und das tussihafte Möchtegernmodell ergänzen sich symbiotisch. Ein Höhepunkt, im wahrsten Sinn des Wortes, sind deren Lesungen eines 3-Groschen-Liebesromans bzw. eines Motorsportsmagazin, wo
beide ganzen „Körpereinsatz“ zeigen.
Aufgrund eines unerwarteten Klopapiermangels an Board nimmt, entsprechend der Chaostheorie, das Schicksal seinen Lauf, sodass durch den dritten Weltkrieg 6,7 Mrd. Erdenbürger, nicht auf Coconut
Island, sondern vor Göttin und Teufel landen.
Anfänglich kommt dem, mit italienischen Akzent sprechenden, Teufel das Grauen, denn in der invertierten Welt verstehen sich die oben erwähnten Dualisten aufs Beste: Es gibt keine Arbeitslosen,
Maßnahmen gegen die Überintellektualisierung der Jugend werden notwendig, Menschen laufen zum Schiarchheitschirurgen (aus Hirnmasse wird der Fettarsch modelliert), Österreich besiegt England im
Fußball (jetzt wird’s kitschig!), Rogan wird Olympia-Sieger mit einem Bauchfleck, die Stammzellenforschung sucht nach dem „Die-Now“-Gen. Da Göttin mit dem armen Teufel Mitleid hat, wird die
„Klopapierkrise“ überwunden. Der Flug kann doch noch, wie geplant, fortgesetzt werden, und wir werden von einer heilen Welt verschont.
Es mag wohl nicht das erste Mal sein, dass Kabarettisten die Höhen und Tiefen der menschlichen Existenz persiflieren, was mich aber so F.R.O.H. stimmt, wie gut Sabine Kunz und Rainer
Obkircher auf der Bühne harmonieren und sich schauspielerisch ergänzen. Gut gesetzt sind auch die Sangeseinlagen der verschiedenen Figuren zu Evergreens der Popmusik. Worin F.R.O.H. „Dancing
Stars“ bei Weitem übertreffen, ist die hohe Kunst, diverse Standard- und lateinamerikanische Tänze mit gleichzeitiger Gesangsdarbietung zu kombinieren – das ist Multi-Tasking in Perfektion! So
gesehen ist ihnen zu wünschen, dass sie in Zukunft zu noch ungeahnten Höhenflügen ansetzen…
Markus Freiler für Klein&Kunst Onlein